«Jeder kann nachhaltiger kochen.»
Marcel Wüest, Küchenchef des Seniorenzentrums Zofingen
Silvia Stanzel und Marcel Wüest vom Seniorenzentrum Zofingen haben die Probe aufs Exempel gemacht und beweisen, dass man auch in der Gemeinschaftsgastronomie nachhaltiger kochen kann – mit System und ohne Preiserhöhungen.
Seit 20 Jahren schwingt Marcel Wüest Kochlöffel und Zepter in der Küche des Seniorenzentrums Zofingen. Aktuell kochen er und sein Team jeden Tag 500 bis 600 Mahlzeiten – für die Bewohner:innen, aber auch für externe Gäste und die Tagesschulen im Ort.
Saisonal und regional ist nachhaltiger
Seine Küche soll aber nicht nur gesund sein, sättigen und schmecken, sie soll auch möglichst nachhaltig sein. Darum besteht jedes einzelne Menü fast ausschliesslich aus saisonalen und regionalen Zutaten. Das ist zwar aufwendiger als mit Zutaten aus allen Herren Ländern vom Grossverteiler zu kochen, aber auch spannender. Und vielseitiger. Und vor allem: frischer.
Die Beweggründe
Marcel hat aus eigener Überzeugung und aus Berufsstolz damit begonnen, seine Küche nachhaltiger zu gestalten. Genauso wichtig war aber, dass Silvia Stanzel, die Leiterin Hotellerie und Mitglied der Geschäftsleitung, mitgemacht hat. Denn nur wenn dieser Change-Prozess auch von der Direktionsebene unterstützt wird, ist eine erfolgreiche Umsetzung möglich, da sind sich beide einig.
«Das Seniorenzentrum Zofingen will mit seiner nachhaltigen Küche den Gästen und Bewohner:innen etwas Gutes tun, der lokalen regionalen Wirtschaft etwas zurückgeben und natürlich auch die Umwelt schonen und schützen. Dahinter steht die ganze Geschäftsleitung», so Silvia Stanzel.
Auf Lieferantensuche
Aber wo fängt man an? «Im Kleinen, bei einer Produktgruppe» rät Marcel. Man schaut sich in der Region nach geeigneten Lieferanten um – zuerst in unmittelbarer Nähe, dann weitet man den Radius aus, bis man einen geeigneten Partner gefunden hat. Marcel wurde beispielsweise beim Weihnachtsbaumlieferanten des Seniorenzentrums fündig. Thomas Widmer, so stellte sich heraus, hat nicht nur Tannenbäume im Angebot, sondern auch jede Menge Früchte und Gemüse.
Flexible Planung
Und so versorgt Thomas Widmer heute die Seniorenresidenz mit saisonalem Gemüse und frischen Früchten – unter anderem für die legendären Wähen von Marcel Wüest und seinem Team. Nebst Widmer beliefern noch eine Reihe weiterer lokaler und regionaler Produzenten das Seniorenzentrum. Für den Küchenchef bedeutet dies, dass er seinen Menüplan auch darauf ausrichtet, was bei seinen Lieferanten gerade vorrätig ist – und auch, dass er eine gewisse Flexibilität an den Tag legt. «Wenn etwas kurzfristig nicht erhältlich ist, ersetze ich es durch ein anderes Produkt oder stelle meine Menüplanung um. Alles kein Problem». meint er locker.
Saisonal + regional = preiswert
Dank seiner flexiblen Menüplanung kann Marcel Wüest am Ende auch günstiger einkaufen. In den Erntemonaten sind saisonale Zutaten in grösserer Menge vorhanden, was den Preis senkt. Ausserdem spart man sich durch die direkte Zusammenarbeit den Gross- oder Zwischenhandel und die entsprechenden Margen.
Erste Schritte
Mit diesen 7 Tipps sind Sie dabei
- Kaufen Sie in der Nähe.
- Kaufen Sie saisonal.
- Achten Sie auf nachhaltige Labels.
- Reden Sie mit Ihren Lieferanten.
- Vermeiden Sie Food Waste.
- Machen Sie kleine Schritte.
- Tun Sie Gutes und sprechen Sie darüber.
Weniger Food Waste
Ein weiterer Grund, warum regionale Zutaten preiswerter sein können, ist der geringere Food Waste. «Regionales und Saisonales ist in der Regel frischer, sodass weniger Rüstabfälle entstehen. Ausserdem bringen uns unsere Lieferanten nur beste Ware, von der wir prozentual viel mehr verwerten können», ist Marcel Wüest überzeugt. Er kann dem Ganzen noch einen weiteren wichtigen Vorteil abgewinnen: «Und mit frischen, hochwertigen Zutaten macht das Kochen auch mehr Spass.»
Die grössten Hürden
Natürlich stösst man in einem solchen Umwälzungsprozess auch immer wieder auf Probleme. Die sind jedoch meistens schnell behoben. «Ein grosser Stolperstein war, dass heute niemand mehr weiss, was wann Saison hat. Ist ja auch schwierig mit all den Angeboten, die man heutzutage hat», schildert Marcel. «Man muss die Leute daran gewöhnen, dass man nicht alles jederzeit erhält.» Viel Überzeugungsarbeit musste Marcel aber nicht leisten: Die Seniorinnen und Senioren sind es von früher gewohnt, dass nicht immer alles unbegrenzt verfügbar ist. Und die anderen Gäste und Kund:innen liessen sich durch die frische, abwechslungsreiche und qualitativ hervorragende Küche leicht überzeugen.
Wertschätzung der Gäste
So mancher Gast wäre auch bereit, mehr zu bezahlen. Beispielsweise Andreas Viehweger, der in der Umgebung arbeitet und seit 12 Jahren jeden Tag im Seniorenzentrum sein Zmittag isst. Er schätzt die Qualität des Essens und auch die nachhaltige Philosophie, die dahintersteckt.
Eine Preiserhöhung konnten Silvia Stanzel und Marcel Wüest bis jetzt vermeiden. Durch das Verringern von Food Waste, durch eine kluge, saisonale Einkaufsstrategie durch gute Beziehungen mit regionalen Lieferanten und vor allem durch das grosse Engagement aller Beteiligten für die Sache.
Analysiert und ausgezeichnet von Beelong
Für die Küche des Seniorenzentrums Zofingen ist der Nachhaltigkeits-Change aber noch lange nicht abgeschlossen – auch wenn sie von der Firma Beelong nach fundierter Eco-Score-Analyse mit 4 von 5 Bienen ausgezeichnet wurde. «Dieses letzte Bienchen holen wir auch noch», ist Marcel Wüest überzeugt.